Zitat des Monats

Es ist wirklich bemerkenswert, daß ein durchschnittlicher Zehnjähriger heutzutage noch nie ein Hörerlebnis gehabt hat, das über die Qualität von extrem datenreduziertem und dynamisch überkomprimiertem MP3-Sound hinausgeht. Eine größere Programmdynamik wird demnach mittlerweile von diesen Kindern als falsch interpretiert. Im Grunde ist es eben auch so, daß die Menschheit an sich, sich ganz stark über Musik definiert. Aus ganzheitlicher Sicht ist es eine fatale gesellschaftliche Fehlentwicklung, wenn sich die Ohren im Laufe der Zeit so dermaßen degenerieren, daß die Menschheit sich über eine emotional tote, ausgequetschte und verzerrte Musik definiert. Das kann einfach nicht gut sein!

Friedemann Tischmeyer, Gründer der Pleasurize Music Foundation (PMF), einer non-Profit-Organisation, die sich dem Kampf gegen den "Loudness War", die ständig fortschreitende Lautheitsentwicklung in der Musikproduktion verschrieben hat, in KEYS 10/09

Ganz meine Meinung.

Aufnahmen wie die legendäre "Tricycle" von Flim & The BB's aus dem Jahr 1983, als die CD gerade erst eingeführt wurde zeigen geradezu dramatisch, welche unglaubliche Dynamik bei digitalen Aufnahmen (es handelt sich um eine der damals noch seltenen DDD-Produktionen, wobei das Augenmerk darauf lag die neue Technik wirklich auszureizen) möglich ist.
Leider geht die Entwicklung bei aktuellen Produktionen tatsächlich in eine vollkommen falsche Richtung, sodaß von der Dynamik der Musik im Endeffekt nichts mehr übrigbleibt - wenn man sich so manche Wellenformdarstellung ansieht, dann hängt einfach nur noch alles bis zum gehtnichtmehr am Anschlag.

Es ist an der Zeit, hier die Notbremse (vor allen Dingen auch bei sich selbst) zu ziehen und sich wieder ein natürliches Verständnis von gutem Klang zu erarbeiten - Stichwort Hörgewohnheiten: Eine CD, über gute Wandler (nicht etwa auf dem 79-Euro-DVD-Player wiedergegeben!) gehört, klingt eben mit Sicherheit anders als das entsprechende MP3 über die "Brüllwürfel". Und auch Vinyl hat da durchaus heutzutage noch seine Berechtigung - wenn man es nicht mit dem 99-Euro-USB-"Plattenspieler" vergewaltigt, sondern auf einem 30 Jahre alten High-End-Laufwerk wiedergibt. Das Zeug ist schließlich viel zu schade, um in irgendeiner Ecke zu verstauben.
Es bleibt einem ja unbenommen, sich die Platten dann mit - wenn man es einmal realistisch betrachtet - diesem nur minimal höheren technischen Aufwand für den Alltagsgebrauch auf CD zu überspielen. Und notfalls auch noch in MP3 zu konvertieren.
Die Kinder, die nichts anderes mehr kennen, die können uns "Oldies" allerdings nur leid tun.
frank (Gast) - 7. Sep, 14:35 - geändert 7. Sep, 14:35

Nachdem die Brut ...

... mit Geschmacksverstärkern malträtiert wird, noch während sie am Saugen ist, ist es nur konsequent auch die Ohren mit eine dem Natriumglutamat adäquaten Technik gefügig zu machen.
Allerdings muss ich gestehen, dass mir in den meisten Fällen auch die komprimierte Variante aus den Brüllwürfeln genügt, weil ich noch nie - selbst zu den seeligen Zeiten der analogen Vinylzeiten- einen größeren Bohei um den audiophilen Anspruch gemacht habe. Mir ging es eigentlich fast immer um die Inhalte - also die Texte- bei den Liedern - die Musik hat das nur abgerundet und wer mit Mono groß geworden ist, der freut sich sogar über kompromierte Stücke auf der HD;-)

Gruß vom Fuß

virtualmono - 8. Sep, 01:32 - geändert 8. Sep, 01:47

Kleine Anmerkung für Leyen Laien: Mit Komprimierung ist hier nicht primär die MP3-Komprimierung (also Datenreduktion) gemeint, sondern das unsägliche bis zum geht-nicht-mehr komprimieren des Audiosignals an sich - das klingt auch auf der CD (oder DVD) schon nur noch nach Lärm... die oben angesprochene Tricycle klingt hingegen auch als 192k-MP3 noch fantastisch.
steppenhund - 7. Sep, 14:46 - geändert 7. Sep, 14:46

Ich unterschreibe diesen Text selbstverständlich vollinhaltlich, selbst wenn meine Schweinsohren auch nicht mehr so viel Details wahrnehmen.
Doch die beste Aufnahme und beste Wiedergabe können in der Dynamik nicht mit einem 2m75 oder 2m90-Flügel mithalten, bei denen man die Bässe unmittelbar im Bauch spürt und feststellen muss, dass ein Instrument auch wirklich mit einem sprechen kann!

virtualmono - 8. Sep, 01:48 - geändert 8. Sep, 01:48

Ich sehe schon - wir müssen nächstes Mal den Gang in den Keller einplanen ;-)
Aurisa - 7. Sep, 14:55 - geändert 7. Sep, 14:55

Tja... und wer soll (und kann...) dann so in 40 bis 50 Jahren (oder noch früher...) all die Millionen Hörgeräte für die allzu früh meuchlings geschredderten Gehörnerven der heutigen Teenies bezahlen...?

Da Staat, Kranken-, Renten- und sonstige Kassen bis dahin sowieso schon längst pleite sein dürften, sollte man ihnen wohl empfehlen jetzt schon mal anzufangen die Gehörlosen-Sprache zu lernen...

david ramirer - 8. Sep, 06:50 - geändert 8. Sep, 06:51

ich sehe das problem weniger in der tonqualität - die kaum mehr zum tragen kommt bei den lautstärken, die immer üblicher und selbstverständlicher werden - als vielmehr im immer mehr hörbar werdenden verlust von innovation, kreativität und "musik als ausdruck der zeit, in der sie entsteht".

ich kenne keine einzige popgruppe, die heute die stellung hätte, die etwa die beatles in den 70ern hatte, oder bob dylan in den 60ern. populärmusik ist kein "sprachrohr" mehr - sie ist ein geräuschfilter, um den lärm der welt ausblenden zu können. fatal dabei ist, dass die meiste sogenannte aktuelle musik selbst lärm ist. da ist es herzlich egal, ob es mp3, DDD, wav oder LP ist: wenn schon die quelle kein herz mehr hat, kann auch der analogste encoder nichts herausholen, und die ohren (die sich dem unverständlicherweise freiwillig aussetzen!) verkümmern.

virtualmono - 8. Sep, 10:19 - geändert 8. Sep, 10:19

Hallo David, es stimmt schon - vorwiegend wird heutzutage "Kaufhausmusik" produziert, aber es gibt auch noch Perlen zu entdecken. Gerade die "Ma Fleur" (siehe ziemlich weit rechts unten) sowie die übrigen "Top 6" sind bei mir sozusagen auf Dauerrotation (nicht ständig, aber immer wieder).
david ramirer - 8. Sep, 12:29 - geändert 8. Sep, 12:29

ausnahmen gibts sicher, keine frage - doch selbst die bewegen nichts mehr.
virtualmono - 8. Sep, 14:11 - geändert 8. Sep, 14:11

Es ist heutzutage aber auch verdammt schwierig geworden, die Leute aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken - alle sind durch die permanente Berieselung derart abgestumpft, die Toleranzschwelle liegt ziemlich hoch, da die Menschen ja mit so gut wie nichts mehr zu schockieren sind... Rock'n Roll, Punk und selbst die Fantas Anfang der 90er hatten es da noch wesentlich leichter. Und die Ausnahmen sind eben zum größten Teil nicht massenkompatibel.
david ramirer - 8. Sep, 15:10 - geändert 8. Sep, 15:10

das ist genau der punkt: die massen sind heute nicht mehr beweglich, sie bilden statische schäume (ob mir sloterdijk da recht geben würde, weiss ich nicht, ist mir aber auch egal) - die mechanismen in canettis masse und macht sind nicht mehr aktuell, weil die massen richtungslos sind.
da hat es auch die musik sehr schwer, weil es keinen breiten seelischen resonanzboden merh gibt. musik lebt immer noch im silberstrome unter der oberfläche des kollektiven unbewussten, in jedem einzelnen, der dafür offen ist.
aber bewegen in der masse ist inzwischen nicht mehr möglich.
schön zu beobachten an den "extatischen" erinnerungen an michael jackson: es ist unfassbar lächerlich, wie versucht wird, ein kollektives ereignis zu inszenieren, das schon im selben moment in die bedeutungslosigkeit versinkt (wie auch schon MJ selbst, als er noch lebte).

die zeiten der kollektiven ereignisse sind vorbei.
virtualmono - 8. Sep, 18:52 - geändert 8. Sep, 18:52

Das tragische bei Michael Jacksons Karriere war, daß Thriller sozusagen der Höhepunkt war (für mich jedenfalls).

Es gibt eben nur zwei Möglichkeiten Entweder man macht die Musik, an der das Herz hängt - das ist dann wiederum nicht kommeriell - oder aber man liefert "Gebrauchsmusik" ab und wird damit sogar ansatzweise erfolgreich... nur wenige beherrschen den Spagat zwischen diesen beiden Welten und haben das Glück, mit dem was sie von Herzen tun auch kommerziellen Erfolg zu haben - das sind dann die Ausnahmekünstler... hach, man müßte im Kopf manchmal einfach den Reset-Knopf drücken können.
david ramirer - 8. Sep, 19:37 - geändert 8. Sep, 19:37

ohne dem resetknopf geht gar nichts.

:-)
virtualmono - 8. Sep, 20:12 - geändert 8. Sep, 20:12

Ich drehe ja momentan das Rad der Zeit für mich ein wenig zurück und habe mich gestern Abend mal mit den Schallplatten beschäftigt - da sind wirklich lange vergessene Schätze darunter...
banger - 8. Sep, 09:12 - geändert 8. Sep, 09:12

Qualitätsoffensive

Als kleine Maßnahme wider das Pegeleinerlei spiele ich mir und meinen Kollegen im Büro gerade Smetanas Die Moldau und im Anschluss Telegraph Road von Dire Straits.
Letzteres ist ein tolles Beispiel, wie sehr man auch in Rock/Pop die Dramatik eines Stückes durch eine entsprechende Dynamik vervielfachen kann.

virtualmono - 8. Sep, 10:07 - geändert 8. Sep, 10:07

Ich höre gerade Bo Hansson - Music inspired by Lord of the Rings (von 1972) ;-)

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